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29.02.2024
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<<<zurück zur Übersicht Auf den folgenden Seiten finden Sie Kurzinformationen zur Funkgeschichte und den Bauwerken aus der Funkstelle Nauen:


Das Sendehaus von 1925.
Bild: Das Hauptgebäude von Hermann Muthesius (1861-1927),
im Jahre 2000 (errichtet 1920).

Am 1. April 1906 pachtete die Firma Telefunken ein etwa 40 000 Quadratmeter großes Luchgelände, rund vier Kilometer von der Stadtgrenze entfernt und begann mit Hochfrequenz-Experimenten.
Der erste Holzschuppen wurde bald durch ein massiveres Fachwerkhaus ersetzt, und das Gelände 1920 zur Großfunkstelle ausgebaut.
Das kaiserliche Militär hatte die strategische Bedeutung des Rundfunks und der Datenübertragung durch elektromagnetische Wellen erkannt und unterstützte deshalb den Ausbau des Geländes durch die Firma Telefunken.

Das Ziel von Muthesius war es wohl, mit den für Brandenburg üblichen Klinkern eine gegliederte Architektur zu schaffen. Durch Einziehungen, Simse und Hervorhebungen gelang ihm das auch in einer ansprechenden Weise. Die Gebäude der Sendestation stellen heute die einzigen erhalten gebliebenen Industriebauten von Muthesius dar.
Flankiert wurde der Bau durch zwei 266 Meter hohe Sendemasten, den bis 1946 höchsten Bauwerken in Deutschland.
Der Bau war natürlich auch Aushängeschild des expandierenden Kaiserreiches. So enthält das noch vorhandene Gästebuch zahlreiche prominente Eintragungen, u.a. auch gekrönter Staatsoberhäupter aus Übersee.
Selbst Kaiser Wilhelm II. besichtigte am 7. November 1906 die leistungsstärkste Station Europas.

Für einen erfolgreichen Funkverkehr sind natürlich Gegenstationen wichtig. So errichtete man solche in Kamina (Togo - wurde aber bereits am 24.8.1914 im Zuge des 1. Weltkrieges auf Anordnung der deutschen Marine vernichtet.), in Marion, Annapolis und Longbeach (alle USA), in Cartagena (Kolumbien), in Java, Japan und Mexiko.
Um die USA-Behörden nicht zu verunsichern gründete man eine eigene Gesellschaft, die "Atlantic Communication Co.", welche vom Februar 1914 bis Ende 1916 ausschließlich von der Station Sayville auf Long Island mit Nauen verkehrte.
Die Hauptempfangsanlage für Nauen befand sich in Geltow bei Potsdam (heute: Potsdam, Werderscher Damm 18 und 20 - Dort ist eine Übertragungseinheit der Rundfunksparte der Deutschen Telekom AG untergebracht.).

Von 1918 bis 1931 gehörte die Station zur Transradio AG (Transradio-Aktiengesellschaft für drahtlosen Übersee-Verkehr). Am Muthesiusbau sind über dem Haupteingang noch die Umrisse der daran befestigten Buchstaben zu erahnen.
Das Jahr 1932 war ein Wendepunkt. Die Deutsche Reichspost kaufte das gesamte Gelände mitsamt aller Außenstationen, u.a. auch die Empfangsstelle in Beelitz (heute Landkreis Potsdam-Mittelmark), "mit allem, was niet- wurzel- und nagelfest" war.

Von 1917 bis 1945 und 1955 bis 1990 stellte die gesamte Welt ihre Uhren nach dem Zeitzeichen aus Nauen:
"Achtung, Achtung! Sie hören jetzt das Nauener Zeitzeichen!
Mit dem letzten Ton war es genau ... !"

Die November-Revolution von 1918 ...

hinterließ auch in der Nauener Funkstation ihre Spuren! Hier sind zwei Dokumente des Arbeiter- und Soldaten-Rates aus Berlin zu sehen.
(Ich habe versucht, diese Dokumente in die heutige Sprache zu übersetzen. Leider konnte ich nicht alle Worte lesen.)
Links: "Ausweis!
Herr Fritz Rolle erhält Befehl, mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, zu versuchen die Station "Nauen zu besetzen und in unserem Sinne zu verwenden.
Der Soldatenrat ..."
Auf dem Siegel steht: REICHSTAG ABGEORDNETER Rechts: "Feldwebel Hilderscheid ist beauftragt, die Funkstation Nauen für den A.+S.Rat zu besetzen. Die kommissarische Leitung übernimmt Genosse Rolle. Es sind die ... mit 20 Mann für diesen Zweck dem Feldwebel Hilderscheid zu unterstellen."

In den 60-ziger Jahren wurde das Gelände abermals erweitert, um dort die Sendeanlagen für das größte Kurzwellenzentrum Osteuropas zu errichten.
Ausgestrahlt wurde hier das Programm von Radio Berlin International.


Dies war bis zur Rekonstruktion der Sendestelle (1997) die "Notstromversorgung" für die gesamte Sendestelle. Zwei Schiffsdiesel sorgten für einen Stromfluss, der ausgereicht hätte, die ganze Stadt Nauen mit Elektroenergie zu versorgen. Das Bauwerk ist, genau wie das nebenstehende Umspannhaus abgerissen worden. Die Aufnahme stammt aus dem Jahre 1990.

In der Nacht vom 2. zum 3. Oktober 1990, eine Sekunde nach 24.00 Uhr, übernahm die Deutsche Welle als neuer Vertragspartner das Sendeprogramm.
Die Anlagen werden seither von der Deutschen Telekom AG als neuer Eigentümer verwaltet.

Mit der Inbetriebnahme der neuen Sendeanlagen am Muthesius-Bau am 23. April 1997, ist Funkstille eingekehrt am Dechtower Damm.
Die fast 170 Meter hohen Sendemasten sind mittlerweile auch aus dem Landschaftsbild verschwunden.
Nicht verschwunden ist aber der Sendestandort Nauen.
Nicht nur wegen der Tradition, nein vielmehr dem Umstand gezollt, dass man von Nauen aus jeden Punkt rund um den Erdball funktechnisch erreichen kann.


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